Wie wird die Von-Willebrand-Erkrankung diagnostiziert?

Die Diagnose der Von-Willebrand-Erkrankung (VWE) kann herausfordernd sein.1 Häufig sind mehrere Untersuchungen notwendig, um die Diagnose zu bestätigen: Es gibt zahlreiche Unterformen, die Symptome variieren von Person zu Person und das Blutungsrisiko kann sehr unterschiedlich sein.1 Betroffene sollten daher immer in spezialisierten hämostaseologischen Behandlungszentren betreut werden.3 Nur wenn eine genaue Diagnose vorliegt, kann auch eine optimale Behandlung erfolgen.1

Zu Beginn der Diagnostik steht ein Gespräch über die individuellen Blutungssymptome (Anamnese). Auch die Blutungsneigung bei anderen Familienmitgliedern wird dabei erfragt (Familienanamnese). Häufige Schleimhautblutungen – zum Beispiel Nasen- oder Zahnfleischbluten – können ein Hinweis auf die VWE sein.4 Zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose erfolgen Labortests. Diese umfassen beispielsweise das Blutbild sowie die Menge, Aktivität und Funktionsfähigkeit des Von-Willebrand-Faktors (VWF). Um den Erkrankungstyp genauer zu bestimmen, können im Anschluss eine Analyse der VWF-Multimerfraktionen und ein Gentest durchgeführt werden.5

Die Rolle des Von-Willebrand-Faktors

Der VWF hat eine entscheidende Funktion innerhalb der Blutgerinnung (Hämostase). Während der primären Hämostase ermöglicht er, dass die Blutplättchen sich aneinanderheften und sich an das verletzte Gewebe anlagern. In der sekundären Hämostase schützt er außerdem den Gerinnungsfaktor VIII (FVIII) vor vorzeitigem Abbau.6

Wie genau die Hämostase funktioniert, erfahren Sie hier.

Im Rahmen der Diagnosestellung der VWE wird untersucht, ob der VWF-Spiegel und/oder die Aktivität des VWF reduziert sind.7 Dabei ist zu beachten, dass die Konzentration von VWF im Blut auch durch genetische, umweltbedingte, hormonelle und pathologische Faktoren beeinflusst wird.8 Der VWF-Spiegel ist beispielsweise von der Blutgruppe oder der Zyklusphase abhängig, wodurch Schwankungen bei den Messungen auftreten können.4 Auch eine Schwangerschaft, zunehmendes Alter, körperliche Betätigung oder die Einnahme oraler Verhütungsmittel führen dazu, dass der VWF-Spiegel ansteigt.8 Daher sollten die Bluttests zu einem Zeitpunkt durchgeführt werden, zu dem sich die betroffene Person in einem allgemein guten Gesundheitszustand befindet bzw. sollten bestehende Grunderkrankungen bei der Auswertung der Testergebnisse berücksichtigt werden.9

Labordiagnostik

Liegt der Verdacht auf eine VWE vor, kann die Diagnose mithilfe spezieller Labortests gesichert und spezifiziert werden:

Die In-vitro-Blutungszeit sowie die aktivierte Thromboplastinzeit (aPPT) geben Auskunft darüber, wie schnell das Blut gerinnt. Häufig wird dabei auch die Blutgruppe bestimmt, da Träger der Blutgruppe 0 physiologisch leicht verringerte Werte für das VWF-Antigen aufweisen.1

Durch die Bestimmung der Konzentration des VWF im Blutplasma (VWF:Ag), lässt sich ein quantitativer Mangel des VWF zeigen.5

Die Untersuchung der Funktionsfähigkeit kann einen qualitativen Mangel des VWF aufdecken

  • Über die Verschlusszeit wird bestimmt, wie gut die Blutplättchen ihre Funktion in der primären Hämostase ausüben können.5
  • Die Ristocetin-Kofaktor-Aktivität (VWF:RCo) zeigt die Bindung des Von-Willebrand-Faktors an die Thrombozyten. Im Vergleich mit der Konzentration des VWF (VWF:Ag) lassen sich Hinweise auf Subtypen der VWE gewinnen.10
  • Der VWF-Kollagen-Bindungstest (VWF:CB) beschreibt die Fähigkeit des VWF, sich an das Kollagen der Gefäßwände zu binden.10
  • Die Stärke der Bindung von VWF an FVIII wird über die Ristocetin-induzierte Plättchenaggregation (RIPA) bestimmt. Auch dieser Test hilft bei der Subtypisierung der VWE.10v

Auch FVIII-Spiegel und FVIII‑Aktivität werden ermittelt. Dies ist besonders wichtig bei Patient:innen ohne Symptome oder mit milder Symptomatik, um Anhaltspunkte für eine angemessene Prophylaxe z. B. bei Operationen zu gewinnen und um ggf. einem Thromboserisiko aufgrund hoher FVIII-Spiegel entgegenzuwirken.7

Die VWF-Multimerenanalyse hilft bei der Klassifizierung der VWE.10 Bei einigen Subtypen fehlen bestimmte Multimere oder sind in geringerer Menge vorhanden.5 Die Kenntnis der Multimeren-Verteilung und die genaue Bestimmung des Subtyps können entscheidend sein, um die geeignete Behandlung zu planen.5,11

sada

Genetische Untersuchungen

Gentests gehören bei der Diagnose der VWE nicht zur gängigen Praxis. Sie sollten jedoch durchgeführt werden, wenn sie sich auf die Diagnose, das Management oder die Beratung der Patient:innen auswirken können.5 Bezogen auf die Subtypen der VWE bedeutet das:5

Typ 1

Bei Betroffenen des Typ 1 sind Gentests wenig aussagekräftig, da der Defekt durch verschiedene Mutationen im VWF-Gen verursacht werden kann und diese Mutationen oft punktuell und somit schwer identifizierbar sind.

Typ 2

Beim Typ 2 können genetische Tests zur Bestätigung des Subtyps hilfreich sein. Insbesondere gilt das für die diagnostische Abgrenzung des Typ 2N gegenüber der milden Hämophilie A sowie für die Bestätigung der Diagnose von Typ 2B, Typ 2M und Typ 2A.

Typ 3

Bei Typ 3 kann mithilfe von Gentests eine Abgrenzung von schweren Formen des Typ 1 oder des Typ 2 erkannt oder das Risko für die Entwicklung bestimmter Antikörper (Alloantikörper) bestimmt werden. Außerdem sind genetische Untersuchungen eine hilfreiche Unterstützung für die genetische Beratung und die Risikobestimmung anderer Familienmitglieder.

doctor document

Referenzen

  1. Colonne CK et al. Why is Misdiagnosis of von Willebrand Disease Still Prevalent and How Can We Overcome It? A Focus on Clinical Considerations and Recommendations. J Blood Med. 2021; 12: 755–768. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8380198/
  2. Connell NT et al. ASH ISTH NHF WFH 2021 guidelines on the management of von Willebrand disease; Blood Adv (2021) 5 (1): 301–325. https://ashpublications.org/bloodadvances/article/5/1/301/474884/ASH-ISTH-NHF-WFH-2021-guidelines-on-the-management
  3. Denis CV et al. von Willebrand disease: what does the future hold?. Blood 2021; 137 (17): 2299–2306. https://ashpublications.org/blood/article/137/17/2299/475456/von-Willebrand-disease-what-does-the-future-hold
  4. Luxembourg, B. Von-Willebrand-Syndrom. In: DGIM Innere Medizin. 2023, Springer. https://www.springermedizin.de/emedpedia/dgim-innere-medizin/von-willebrand-syndrom?epediaDoi=10.1007%2F978-3-642-54676-1_93
  5. Sharma R, Haberichter SL. New advances in the diagnosis of von Willebrand disease. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2019; 2019 (1): 596–600. https://ashpublications.org/hematology/article/2019/1/596/422555/New-advances-in-the-diagnosis-of-von-Willebrand
  6. DePablo-Moreno JAD et al. The Vascular Endothelium and Coagulation:Homeostasis, Disease, and Treatment, with a Focus on the VonWillebrand Factor and Factors VIII and V. Int. J. Mol. Sci. 2022, 23, 8283. https://doi.org/10.3390/ijms23158283
  7. Miesbach W. Perioperative management for patients with von Willebrand disease: Defining the optimal approach. Eur J Haematol. 2020;105:365–377. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32496614/
  8. Weyand AC, Flood VH. Von Willebrand Disease: Current Status of Diagnosis and Management. Hematol Oncol Clin North Am. 2021 Dec;35(6):1085-1101. doi: 10.1016/j.hoc.2021.07.004. Epub 2021 Aug 13. PMID: 34400042; PMCID: PMC8919990 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34400042/
  9. James PD et al. ASH ISTH NHF WFH 2021 guidelines on the diagnosis of von Willebrand disease. Blood Adv (2021) 5 (1): 280–300. https://ashpublications.org/bloodadvances/article/5/1/280/474888/ASH-ISTH-NHF-WFH-2021-guidelines-on-the-diagnosis
  10. Stiefer T, Kiefer P. Von-Willebrand-Faktor. In: Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik, 2017, Springer.
  11. Lauten M, Erlacher M, Knöfler R. Hämatologie. Pädiatrie. 2019:541–70. German. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7498388

C-APROM/DE/VWD/0001

Takeda Connect
Jetzt registrieren
takeda connect

24/7 verfügbar

Diese Inhalte sind zum Teil geschützt und können nur von medizinischen Fachkreisen nach Heilmittelgewerbegesetz §10 eingesehen werden. Bitte melden Sie sich an oder erstellen Sie einen neuen Account.
Sie haben noch keinen Zugang?

  • Ihr persönlicher Account - Direkter Kontakt, Medizinische Anfragen und Produktinformationen
  • Weltweiter Zugang zu klinischen Takeda Studien
  • Eventkalender und interessante Veranstaltungen
  • Praxis- & Patientenmaterial Bestellungen, einfach, kostenios und indikationsübergreifend im Webshop
  • Mit Ihrer Online-Bibliothek - Persönliche Dokumente und Links ablegen und jederzeit griffbereit behalten
  • Nebenwirkungsmeidungen / Produktmangel schnell, einfach und Formular-gestützt melden