Gelenkgesundheit

Gesunde Gelenke

Stabile Knochen, gestärkte Muskeln und gesunde Gelenke sind eine wichtige Voraussetzung für die Beweglichkeit. Diese Komponenten sind entscheidend für die Mobilität im Alltag und beugen Stürzen und Verletzungen vor. Menschen mit Hämophilie oder Von-Willebrand-Syndrom (VWS) können in Abhängigkeit ihrer Blutungsneigung bereits in jungen Jahren von Gelenkblutungen betroffen sein. Gelenkblutungen können aufgrund einer Verletzung, bei schweren Formen der Hämophilie bzw. des VWS mitunter auch ohne äußere Auslöser auftreten. Besonders häufig sind Knie-, Ellenbogen- und Sprunggelenke betroffen.1,2 Langfristige Gelenk- und Knochenschäden entstehen, wenn Gelenkblutungen nicht rechtzeitig oder ungenügend behandelt werden oder sich subklinische (schwer erkennbare) Mikroblutungen bilden.3,4

Gelenkblutungen bei Blutgerinnungsstörungen

Aufbau und Funktion der Gelenke

Die Knochenenden von Gelenken sind mit einer Knorpelschicht überzogen und von der Gelenkkapsel (elastische Bindegewebsschicht) umschlossen. Teil der Gelenkkapsel ist die Synovialmembran (Gelenkinnenhaut), welche die Gelenkflüssigkeit produziert. Die Gelenkflüssigkeit ermöglicht, dass die Knorpelflächen gelenkschonend an den Knochenenden bei Bewegungen übereinander gleiten können.4

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Was passiert bei einer Gelenkblutung?

Bei einer Hämarthrose (Gelenkblutung) sammelt sich Blut in der Gelenkkapsel und das Gelenk schwillt an. Im Rahmen des Abbauprozesses des Blutes lagern sich Restbestandteile wie Eisen ab und lösen eine Entzündung der Gelenkinnenhaut (Synovitis) aus. Bereits eine einmalige Synovitis kann das Gelenk schädigen und es anfälliger für erneute Blutungen machen. Durch eine anhaltende Entzündung (chronische Synovitis) werden Knorpel- und Knochen zunehmend angegriffen. Im weiteren Krankheitsverlauf bildet sich eine (hämophile) Arthropathie (nachhaltige Gelenkveränderungen).5,4

Hämarthrosen sind nicht lebensbedrohlich, sollten allerdings mithilfe einer prophylaktischen Therapie verhindert werden. Werden Gelenkblutungen nicht ausreichend behandelt, können die Gelenke versteifen und Ihre Beweglichkeit im Alltag zunehmend eingeschränkt sein. Daher ist es wichtig, eine Einblutung in ein Gelenk rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Symptome einer Gelenkblutung

Eine Gelenkblutung kann sich durch folgende Beschwerden äußern:2

  • Das Gelenk wird warm, kribbelt und/oder rötet sich
  • Anhaltende Schmerzen
  • Das Gelenk schwillt an
  • Eingeschränkte Beweglichkeit
  • Berührungsempfindlichkeit
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Vorbeugen, Erste Hilfe und Therapiemöglichkeiten

Vorbeugende Maßnahmen

Zur Vorsorge von Blutungen hat sich die regelmäßige Gabe eines Gerinnungsmedikaments bewährt. Mithilfe einer konsequenten Prophylaxe kann das Risiko für Gelenkblutungen deutlich gesenkt werden.6 Das Ziel dabei ist, den Faktorspiegel durchgängig bei mindestens 3 bis 5 % oder höher zu halten. In einem individuellen Therapieplan wird u. a. berücksichtigt, wie stark die Blutungssymptome bei Ihnen ausfallen, wie schnell Ihr Körper das Medikament abbaut und wie körperlich aktiv Sie sind.1

Darüber hinaus tragen regelmäßige Bewegung und gezielte sportliche Übungen einen wichtigen Teil zur Gelenkgesundheit bei. Zum einen werden dabei die Muskelkraft, die Beweglichkeit und Balance sowie die körperliche Wahrnehmung trainiert – all das ist wichtig, um Gelenkblutungen etwa durch Verletzungen zu vermeiden. Bei einer Physio- und Sporttherapie können Sie unter professioneller Anleitung entsprechende Bewegungsabläufe trainieren.7,1 Zum anderen hilft körperliche Aktivität, Übergewicht vorzubeugen. Denn sind die Gelenke zusätzlich durch überschüssiges Körpergewicht belastet, steigt auch das Risiko für Gelenkblutungen.8

In den Kapiteln zur Hämophilie und dem Von-Willebrand-Syndrom erfahren Sie, wie die Therapie für die jeweilige Erkrankung im Speziellen aufgebaut ist.

Erste Hilfe und Akuttherapie

Im Fall einer Gelenkblutung ist rasches Handeln entscheidend:1

  • Verabreichen Sie eine Dosis Ihres Faktorpräparats.
  • Kühlen Sie das betroffene Körperteil vorsichtig mit einem Coolpack und lagern Sie es hoch. Viele Betroffene empfinden eine leichte Beugung als angenehm und schmerzlindernd. Das Gelenk sollte vorerst nicht bewegt oder belastet werden.
  • Kontaktieren Sie Ihr zuständiges Gerinnungszentrum. In bestimmten Fällen kann es notwendig sein, das Blut mittels einer Gelenkpunktion zu entfernen, um schwerwiegende Gelenkschäden zu verhindern.1

Sobald die akuten Beschwerden abgeklungen sind, ist es wichtig, die Beweglichkeit wiederherzustellen. Wird der betroffene Körperteil zu lange geschont, wirkt sich dies negativ auf die Gelenkfunktion aus. Mithilfe einer individuellen Physio- und Sporttherapie wird das Gelenk schrittweise mobilisiert.9,1

Um Schmerzen sowie eine Entzündung in Folge einer Gelenkblutung zu behandeln, kommen Paracetamol und nicht-steroidale Antirheumatika, sog. COX-2-Hemmer, zum Einsatz. Nicht verwendet werden dürfen Ibuprofen und Schmerzmittel mit Acetylsalicylsäure (ASS), da diese das Blutungsrisiko erhöhen.2,1 Stimmen Sie sich in jedem Fall vor der Einnahme von schmerz- und entzündungslindernden Medikamenten mit Ihrer Hämostaseologin bzw. Ihrem Hämostaseologen ab.

Langfristige Maßnahmen

Eine individuell eingestellte Prophylaxe-Therapie mit ausreichend hohen Faktorspiegeln gilt als wichtigste Maßnahme für den Erhalt der Gelenkfunktion.3 Das Risiko für Blutungen soll so niedrig wie möglich gehalten werden, da jede Blutung zur einer langfristigen Schädigung des Gelenks führen kann.4 Auch wird angestrebt, durch die Prophylaxe die Entwicklung von sog. Zielgelenken zu verhindern: Damit werden Gelenke bezeichnet, die innerhalb von 6 Monaten von mindestens 3 Hämarthrosen betroffen sind.1,4

Die Dosierung und das Injektionsintervall des Gerinnungsmedikaments werden u. a. nach dem Alter, dem Gewicht und dem Lebensstil der Patient:innen bestimmt.1 Daher ist es wichtig, dass die Therapie stetig überwacht und bei Bedarf optimiert wird. Sind Sie z. B. sportlich sehr aktiv, sollten Ihr Blutungsschutz sowie der Zeitpunkt der Medikamentengabe dementsprechend angepasst sein.

Eine individuelle Physiotherapie wird auch langfristig zur Vorsorge empfohlen. Dabei werden die Muskeln, die die Gelenke direkt umgeben, gestärkt und ergonomische Bewegungen geübt, um Fehl- oder Schonhaltungen zu korrigieren und Gelenkverschleiß vorzubeugen. Zusätzlich werden in einer speziellen Sporttherapie Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Ausdauer trainiert, wodurch Schmerzen gelindert und Hämarthrosen verhindert werden können.2 Mehr dazu lesen Sie unter Sporttherapie und Sportprogramme.

Ein weiterer Bestandteil der langfristigen Behandlung ist die einmal jährlich stattfindende Kontrolle des Gelenkstatus. In einer orthopädischen Untersuchung und einer Ultraschalluntersuchung können Ihre Behandler:innen den Zustand Ihrer Gelenke ermitteln.2

Bei bestehenden Gelenkschäden stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, um Beschwerden zu lindern und das Gelenk zu entlasten. So können etwa orthopädische Hilfsmittel eingesetzt oder die Entzündung durch verschiedene Behandlungsverfahren bekämpft werden. Welche Option für Sie geeignet ist, bespricht Ihre Hämostaseologin bzw. Ihr Hämostaseologe mit Ihnen.

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Was Sie selbst tun können

  • Das Wichtigste ist: Halten Sie sich an Ihren Behandlungsplan, wenn Sie eine prophylaktische Therapie erhalten. Die regelmäßige Gabe Ihres Gerinnungsmedikaments kann spontane Blutungen reduzieren und einer Arthropathie vorbeugen.3
  • Nehmen Sie regelmäßige Kontrolltermine wahr, bei denen etwa Ihr Faktorspiegel geprüft und Ihr Gelenkstatus untersucht werden.
  • Mithilfe regelmäßiger, gelenkschonender Bewegung können Sie Gelenkschäden vorbeugen. Weitere Informationen finden Sie unter Sport und Fitness.
  • Eine abwechslungsreiche, vollwertige Ernährung hilft Ihnen dabei, Normalgewicht zu halten oder zu erreichen. Das entlastet Ihre Gelenke. Bestimmte Nährstoffe können außerdem dazu beitragen, den Gelenkknorpel gesund zu erhalten und Entzündungen entgegenzuwirken.
  • In speziellen Schulungen für Patient:innen erfahren Sie, wie Gelenkschäden entstehen und was Sie selbst dagegen tun können. Über Informationsveranstaltungen von Patientenorganisationen oder Selbsthilfegruppen erhalten Sie außerdem alltagspraktische Tipps und können vom Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen profitieren. Je mehr Sie über das Thema Gelenkgesundheit wissen, desto besser können Sie Ihre Gelenke aktiv unterstützen.

Referenzen

  1. Srivastava A, et al.: WFH Guidelines for the Management of Hemophilia, 3rd edition. Haemophilia. 2020:00: 1–158.
Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK551607/ (abgerufen am 07.12.2023).
  2. Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e. V. (GTH): S2k-Leitlinie Synovitis bei Hämophilie, Stand: 02.12.21, 2. akt. Aufl. 2022; gültig bis 14.01.2027.
Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/086-005l_S2k_Synovitis-bei-Haemophilie_2023-02.pdf (abgerufen am 07.12.2023).
  3. Miesbach, W, Berntorp E. Translating the success of prophylaxis in haemophilia to von Willebrand disease. Thrombosis Research 199 (2021) 67–74.
Verfügbar unter: https://www.thrombosisresearch.com/article/S0049-3848(21)00007-4/fulltext (abgerufen am 07.12.2023).
  4. Pulles AE et al. Pathophysiology of hemophilic arthropathy and potential targets for therapy. Pharmacol Res. 2017 Jan;115:192–199.
  5. Habermann B, Hämophile Arthropathie, DHG – Blutungskrankheiten – Begleiterkrankungen.
Verfügbar unter: https://www.dhg.de/blutungskrankheiten/begleiterkrankungen.html (abgerufen am 07.12.2023).
  6. Mehta P., Reddivari A. Hemophilia. [Updated 2023 Jun 5]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2023 Jan.
Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK551607/ (abgerufen am 07.12.2023).
  7. Lassandro G, Accettura D, Giordano P. Promoting Sports Practice in Persons with Hemophilia: A Survey of Clinicians' Perspective.
Int J Environ Res Public Health. 2021 Nov 11;18(22):11841. doi: 10.3390/ijerph182211841. PMID: 34831596; PMCID: PMC8625842.
  8. Wilding J, Zourikian N, Di Minno M. Obesity in the global haemophilia population: prevalence, implications and expert opinions for weight management.
Obes Rev. 2018(11): 1569-1584. doi:10.1111/obr.12746
  9. Hilberg T. Sports Therapy Model for Rare Diseases Orphanet Journal of Rare Diseases (2018) 13:38.
Verfügbar unter: https://ojrd.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13023-018-0777-7 (abgerufen am 07.12.2023).

EXA/DE/HG/0297